Alexander Winschu PortraitIn der Mitte Sibiriens liegt die riesige Region Krasnojarsk mit der gleichnamigen Hauptstadt. Etwa 340 km nordöstlich von Krasnojarsk befindet sich der Bezirk Tassejewsky, Zentrum des Bezirks ist das Dorf Tassejewo. Bezirk und Dorf leiden unter einer schrumpfenden Bevölkerung, im Jahr 1989 hatte das Dorf noch über 10.000 Bewohner, im Jahr 2021 zählte man noch 6.664 Einwohner.

 Alexander Witaliewitsch Winschu wurde am 21. Dezember 2005 in Tassejewo geboren, ging dort zur Schule und absolvierte am Ort eine Fachschule - Anfang 2024 war seine Ausbildung abgeschlossen. Sascha (Alexander) hätte sich aktiv am patriotischen Leben der Fachschule beteiligt, schreibt die "Technische Fachschule Kansk" über Sascha.

Der Bezirk hat einen fürsorglichen Landrat, der sich um seine Schäfchen kümmert. Konstantin Diesendorf hat dem Namen nach deutsche Wurzeln und vertritt in der Region die Partei "Einiges Russland".  Diesendorf nahm den jungen Mann unter seine väterlichen Fittiche, empfahl ihm den Militärdienst, da es im Ort so gut wie keine Arbeit für junge Menschen gäbe.

Der Landrat hat allerdings selbst zwei Söhne, der eine ist bei der örtlichen Polizei, der andere ist Geschäftsführer seiner ehemaligen Firma. Diesendorf wurde 2015 zum ersten Mal zum Abgeordneten des Tasejewski-Bezirks gewählt, und 2020 zum zweiten Mal. Parallel dazu war er seit 2011 Direktor der GmbH „Tasejewski-Aufzug“.

Nachdem er 2021 die Position des Landrates übernommen hatte, übertrug der Beamte das Unternehmen auf seine Frau Galina und ernannte seinen Sohn Alexander zum Direktor. „Tasejewski-Aufzug“ erhält vom regionalen Landwirtschaftsministerium Subventionen und Zuschüsse in Millionenhöhe.(Link)

Alexander Winschu AbfahrtAuf die Idee seine eigenen Söhne entsprechend seiner patriotische Gesinnung in den Krieg zu schicken, kam der Landrat verständlicherweise nicht. Dafür konnte er schließlich Alexander Winschu und drei weitere junge Männer akquirieren.

In einer Ansprache in der örtlichen Fachschule am 22. April 2024 stellte Diesendorf den von ihm rekrutierten Sascha persönlich den Lehrern und Schülern als leuchtendes Beispiel vor. Diesendorf erklärte zudem, dass drei weitere College-Studenten mit Winschu in den Krieg ziehen würden. Sie sind vermutlich auf dem Foto rechts abgebildet, das in einer der Todesanzeigen veröffentlicht wurde. Über das Schicksal dieser Fachschüler liegen keine Informationen vor.

Ich sagte zu ihm: 'Sascha, vielleicht solltest du erst den Wehrdienst ableisten und dann einen Vertrag abschließen.' Er sagt: 'Nein, ich habe es schon lange reifen lassen, ich will unter Vertrag dienen, denn in Tasejewo gibt es praktisch nichts zu tun, es gibt keine Arbeit.' Vielleicht ist das richtig“, sagte der Landrat.

Aber zurück zu Alexander Winschu, er meldete sich schließlich ohne militärische Erfahrung als Freiwilliger zum Kriegsdienst. Es ist anzunehmen, dass auch ihn das viele Geld lockte, das man für eine Unterschrift unter den Militärvertrag bekommt.

Sascha hätte nie den Mut verloren und in jeder Situation versucht, Witze zu machen. Da war viel drin: schwer und lustig und gruselig, und du hast auf alles geantwortet: „Mit gutem Gewissen, mit Kreuz am Hals, Hauptsache zurück, aber nicht mit einer Ladung von Cargo200 zurück.“ ...“ schrieb die lokale Zeitung "Landarbeiter".

Am 28. November 24 geriet Alexander bei einem Angriff auf ukrainische Stellungen unter Mörserfeuer. Er hat den Angriff nicht überlebt und wurde am 20. Dezember im Heimatdorf Tessejewo bestattet. Einen Tag später wäre sein 19. Geburtstag gewesen.

Die örtliche Fachschule hat die Rede des Landrats Diesendorf vor Schülern und Lehrern seines Bezirks in einem Video veröffentlicht. Wir dokumentieren diese Rede und fassen in Deutsch zusammen, was der Mann den Zuhörern erzählt:


Diesendorf versprach, mit den Militärs zu sprechen, damit der junge Mann nicht direkt an die Front geschickt wird, und dankte den Eltern des Jungen für seine Erziehung. „Natürlich müssen wir unseren Kindern zeigen, dass wir wie unsere Großväter für unser Vaterland einstehen müssen“, fügte der Landrat hinzu.

In derselben Rede sagte er die zweite Welle der Mobilisierung voraus. Der Beamte brachte dies mit einem neuen Militärhilfepaket der Vereinigten Staaten für die Ukraine in Verbindung.

„Im Grunde versteht die Gesellschaft, dass das Land heute schwer ist. Wir stehen an der Schwelle - wir werden gewinnen, wir werden nicht gewinnen. Höchstwahrscheinlich wird es mehr Einberufungen geben, nicht zum Dienst, sondern zur Mobilisierung. Die Amerikaner stellen wieder eine Menge Waffen zur Verfügung, das heißt, wir werden mit diesen Kräften wahrscheinlich nicht auskommen“, schloss Diesendorf.


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