Baschkortostan 31.01Die russische Teilrepublik Baschkortostan hat zur Zeit die meisten Kriegstoten aller russischen Regionen in absoluten Zahlen. In unserer Statistik liegt zwar die Republik Tatarstan ganz vorne, dort hat eine Initiative die Aufgabe übernommen, alle Kriegstoten seit Beginn des Krieges zu recherchieren. Solch eine Anstrengung fehlt noch in Baschkortostan.

Die Grafik links zeigt einen ziemlich normalen Anstieg der Gefallenenzahlen entsprechend dem Kriegsverlauf bis zum Beginn des Jahres 2024. Danach wird die Kurve steiler und steiler.

Im ersten Teil unseres Bericht wollen wir aufzeigen, wie die Führung der Republik sich zum Krieg gegen die Ukraine stellt. Im zweiten Teil wollen wir die baschkirische Initiative "Fremder Krieg" zu Wort kommen lassen, die ab September 2024 einen aktiven Telegramkanal betreibt.

In Baschkortostan leben etwa vier Millionen Menschen. Die größte Bevölkerungsgruppe stellen die Russen mit etwa 37% der Bevölkerung, die Baschkiren haben einen Anteil von 31% und die Tataren etwa 24%.

Die Baschkiren sind ein etwa zwei Millionen starkes Turkvolk, von denen etwa 1,2 Millionen in Baschkortostan leben. Ihre Sprache ist baschkirisch, traditionelle Religion ist der sunnitische Islam. Insgesamt ist die Zahl der Baschkiren rückläufig.

Radij Faritowitsch ChabirowDas Oberhaupt der Repubilk Baschkortostan ist der Baschkire Radij Faritowitsch Chabirow, geboren am 20.03.1964. Der Jurist startete zunächst seine Karriere an der Hochschule und war amtierender Direktor der Hochschule für Rechtswissenschaften in Baschkortostan. Im Jahr 2003 wechselte er in die Politik und ist seit Oktober 2018 das Oberhaupt der Republik - zunächst geschäftsführend, im September 2019 wurde er gewählt.

Laut russischen Militäroffizieren und Politikwissenschaftlern ist Radij Chabirow einer der aktivsten Anführer der russischer Regionen, die an der Unterstützung der russischen Invasion in der Ukraine beteiligt sind. Wiederholt besuchte er persönlich an der Spitze offizieller Delegationen Baschkortostans die sogenannten Donezker und Luhansker Volksrepubliken [1].

Radij Chabirov war vor seiner Ernennung zum Oberhaupt der Republik Baschkortostan direkt an der Annexion der Krim beteiligt . Der Kreml erstellte damals einen detaillierten Plan für die Umsetzung der Ereignisse auf der Krim und Radij Chabirov wurde eine der Rollen zugewiesen. Chabirow war verantwortlich für den Transport russischer Symbole (Flaggen und Schals) auf die Krim, das Anbringen der russischen Flagge am Gebäude des Obersten Rates der Krim und die Organisation einer „spontanen“ Kundgebung zur Unterstützung der Annexion der Halbinsel. Chabirow überwachte auch Treffen zwischen Vertretern der islamischen Eliten Russlands und den Führern der Krimtataren und versprach diesen, ihre Landprobleme zu lösen, wenn die Krimtataren sich nicht in die Annexion der Halbinsel einmischen würden. Nach der Annexion wurden die Landprobleme der Krimtataren nicht gelöst und die krimtatarischen Aktivisten kalt gestellt [1].

Chabirow Puschilin 07 20 03 2022Foto: Chabirow zusammen mit dem Chef
der "Donezker Volksrepublik" Denis Puschilin.

Nach dem Beginn der umfassenden Invasion Russlands in der Ukraine beteiligte sich Radij Chabirow direkt aktiv an diesem Krieg. Er stellte insgesamt drei Bataillone mit Freiwilligen der Republik auf, die nach baschkirischen Volks- und Kriegshelden benannt sind - Minigali Schajmuratow (General im 2. Weltkrieg), Alexander Wassiljewitsch Dostawalow (Major im Tschetschenenkrieg) und Salawat Julajew (geb. 1752, baschkirischer Nationalheld).

Ende 2023 wurde Chabirow von der EU sanktioniert. "Radiy Khabirov ist das Oberhaupt von Baschkortostan, einer Republik der Russischen Föderation. In seiner Rolle als Oberhaupt der Republik Baschkortostan hat er den Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützt, gefördert und öffentlich gebilligt...Daher unterstützt und implementiert Radij Chabirow Maßnahmen und Richtlinien, die die territoriale Integrität, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben und bedrohen", heißt es in dem Beschluss.

Radij Faritowitsch Chabirow

Radij Chabirow besucht baschkirische Freiwillige in der Ukraine

Nach Aussagen von Chabirow hätte die russische Teilrepublik 13,4 Milliarden Rubel (13 Millionen €) in den Krieg investiert. 142 Konvois aus Lastwagen hätten Lebensmittel, Kleidung und sonstige Ausrüstung an die Front gebracht.

Über die baschkirischen Bezirke ist die Unterstützung des Krieges straff organisiert. Die Landräte werben für den Freiwilligendienst in der Armee, Frauen weben Tarnnetze und organisieren Sach- und Geldspenden für die Männer an der Front. Kritik an den hohen Verlusten unter den baschkirischen Soldaten und an dem schnellen Tod vieler Freiwilliger findet man nirgends.

Die "Fleischangriffe" wie sie in Russland genannt werden - also Angriffe mit sehr hohen Verlusten der eigenen Soldaten, hatte die Gruppe Wagner eingeführt, um so die ukrainische Stadt Bachmut einzunehmen. Etwa 20.000 Söldner, meist Insassen der russischen Strafanstalten, kamen so ums Leben. Die russische Armee hat diese Taktik in etwas abgewandelter Form fortgesetzt - jetzt werden die im Leben gescheiterten, die ganz jungen und die alten Männer und  häufig die hart arbeitende Bevölkerung vom Lande mit viel Geld gelockt und danach an der Front in den Tod geschickt - allen voran die ethnischen Minderheiten wie die Baschkiren.

Und so kommt es, dass die baschkirischen Landräte mehrfach in der Woche an Beisetzungen der Soldaten  aus ihrer Region teilnehmen müssen. Wir haben das schon mehrfach dokumentiert.

All die vielen Kriegsopfer aus Baschkortostan - es dürften sich nach unseren Schätzungen um etwa 30.000 Tote und Verwundete handeln, nimmt der baschkirische Präsident in Kauf, um was für seine Bürger zu erreichen?

Aber es gibt auch andere Stimmen in Baschkortostan. Wir haben in unserem Bericht über die Region Baimak von den dortigen Protesten Anfang 2024 berichtet. Wir empfehlen zumindest den ersten Teil unseres Berichts zu lesen, denn dort fanden die einzig nennenswerten öffentlichen Proteste  in Russland seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine statt.

Und es gibt ab September 2024 einen neuen Telegram-Kanal "Fremder Krieg", der sich kritisch mit der Kriegsunterstützung in Baschkortostan auseinandersetzt. Wir lassen ihn im zweiten Teil zu Wort kommen.


[1] Text aus russischer Wikipedia