Wie schwer verwundete mobilisierte Soldaten an die Front geschickt werden

SoldatenAufKruecken

Verwundete russische Soldaten, selbst auf Krücken, werden an die Front zurückgebracht

Im April zeichnete das Militär in einer Militäreinheit in Leningrad Luga ein Video auf, in dem Dutzende von verwundeten Soldaten auf Krücken, ohne Beine und ohne Arme oder ein Auge an die Front geschickt wurden. Alle von ihnen haben die Kategorie „D“ - untauglich für den Militärdienst.

Das Video könnte aufgrund der Absurdität des Geschehens als Fälschung betrachtet werden, aber die Angehörigen von schwer verwundeten mobilisierten Männern berichten der Redaktion, dass auch absolute Invaliden „an die erste Front“ geschickt werden. Zu einem von ihnen, dem halb blinden Dzatte Mamitow, der wegen der gleichzeitigen Verwundung seiner Beine und seines Arms nicht einmal auf Krücken gehen kann, haben die Angehörigen am 10. April den Kontakt verloren; ein anderer - Alexej Kuptsow aus Burjatien - starb am 16. April an einem Schlaganfall, der durch den Zwang zum Dienst trotz seiner zahlreichen Verwundungen verursacht wurde.

„Für sie sind das keine Menschen, sondern Kanonenfutter“, erklären die Angehörigen der Mobilisierten das Geschehen.

Inguschetien nimmt Abschied von drei in der Ukraine getöteten Soldaten

In Inguschetien verabschiedeten sie sich von drei weiteren im Krieg in der Ukraine gefallenen Soldaten. Wie die Regierung mitteilte, fanden in der Republik die Beerdigungen von Ilez Chamchojew (aus dem Dorf Troitskoje), Adam Gutseriew (aus Karabulak) und Chamsat Kartojew (aus Malgobek) statt, „die im Gebiet einer speziellen Militäroperation ums Leben kamen“.

Alexej Sokolow Der König ist nackt

Wir haben Alexej Sokolow bereits in unserer Rubrik Kriegsbilder vorgestellt. Er kam aus dem Dorf Bolschoje Schemjakino aus der russischen Teilrepublik Tatarstan. Das Dorf wird überwiegend von Tschuwaschen bewohnt.

Alexej war gerade 20 Jahre alt und hatte sich wahrscheinlich freiwillig zum Krieg in der Ukraine gemeldet. Er wurde am 13. April 25 getötet und bereits am 23. April in seinem Heimatdorf bestattet.

Zu der kurzen Telegram-Meldung (Screenshot links) über Alexej gab es immerhin 140 Kommentare.

Die Beileidsfloskeln und betenden Hände, die sich darunter befinden,  geben wir nicht wieder.

Die deutschen Namen unter den russischen Kriegstoten im April 25

Wir haben dieses Foto am 24. August 2024 veröffentlicht. Es zeigt die Beisetzung des mobilisierten Fjodor Gerlein, geboren am 26. Juni 1976 in Kasachstan, der am 11. August 24 im Dorf Schurawlewka in der Region Saratow begraben wurde. Die englischsprachige "Moscow Times" hat mit diesem Foto einen Bericht über die Russlanddeutschen aufgemacht, die im Krieg gegen die Ukraine getötet wurden.

Anfang April 25 haben wir  beim Auswärtigen Amt  und bei der Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten angefragt, ob ihnen Erkenntnisse über den doch ungewöhnlich hohen Anteil an deutschen Nachnamen unter den russischen Kriegstoten vorliegen.

Zumindest das Auswärtige Amt hat sich um eine Antwort bemüht, die Beauftragte der Bundesregierung Natalie Pawlik allerdings hat die Angelegenheit nicht interessiert und war wohl mehr um ihre Karriere zur Staatsministerin bemüht.

Schule 6

Heute wollen wir eine Schule in der Stadt Petropawlowsk-Kamtschatski besuchen.  Wir befinden uns im ganz fernen Osten Russlands auf der Halbinsel Kamtschatka, Petropawlowsk-Kamtschatski ist die Hauptstadt der Region mit 163.000 Einwohnern. Die Sekundarschule Nr. 6 feierte vorab den 80. Jahrestag des Sieges im 2. Weltkrieg und gedachte zweier Schulabsolventen, die im letzten Jahr im Krieg gegen die Ukraine getötet wurden.

Alexander Fjodorowitsch Jassaschi (08.08.1999 - 26.10.2024) und Danil Andrejewitsch Ischkow (02.09.2002 - 29.08.2024) meldeten sich beide freiwillig zum Militär, Alexander allerdings bevor Russland in die Ukraine einmarschierte. Beide hatten sich sicher eine bessere Zukunft vorgestellt, als als Propagandaposter auf einem Schülerschreibtisch zu enden.

Wir geben den Bericht der Schule vom 7.5.25 übersetzt wieder:

Seversk Tomsk Oblast Russia

Straße in Sewersk, Oblast Tomsk -- Foto: alvgor -- Lizenz:  CC BY 3.0

Die Stadt Sewersk in der sibirischen Oblast Tomsk dürfte nicht von westlichen Besuchern überlaufen sein. Sewersk hat 105.000 Bewohner und den Status einer geschlossenen Stadt. Hauptarbeitgeber der Stadt ist das "Sibirische Chemiekombinat GP" mit zwischen 15.000 und 20.000 Beschäftigten. Ein Teil der Produktion besteht in der Anreicherung  von Uranhexafluorid - der Stoff, aus dem auch die Kernwaffen bestehen.

Eine deutsche Firma hat zwischen 1996 und 2008 mehr als 27.000 Tonnen Uranhexafluorid aus der deutschen Urananreicherungsanlage Gronau nach Sewersk geliefert, nur 15% davon kamen wieder zurück.

Wir wollen in Sewersk eine Schule für Behinderte besuchen. Am 2. April 25 fand dort die feierliche Einweihung von drei "Heldenschreibtischen" statt.  Drei ehemalige -behinderte - Schüler wurden in den Krieg gegen die Ukraine geschickt und kamen im Zinksarg zurück. Die Entsendung von geistig behinderten Männern in den Krieg hat im unmenschlichen Russland System. Wir verweisen auf unsere anderen Beiträge zu diesem Thema (1, 2, 3).

Der jüngste gefallene Soldat ist Jewgeni Aleksejewitsch Bojtschuk, gerade mal 18 Jahre alt.

Wir dokumentieren einen übersetzten Bericht der Zeitung Dialog vom 1. Mai 2025 und ein Video von jener Einweihung der Heldenschreibtische, dem wir keine übersetzten Untertitel beifügen. Der Inhalt der Reden ergibt sich aus dem Text.

Roman Iwanischin

Roman Iwanischin mit seinem Enkel

15 Jahre Haft für freiwillige Kapitulation

Ein Gericht in Sachalin hat Roman Iwanischin, der als erste Person in Russland der freiwilligen Kapitulation angeklagt wurde, zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Roman wurde der freiwilligen Kapitulation und der Desertion für schuldig befunden, berichtet Kommersant unter Berufung auf eine Quelle.

Debin Siberia

Kolyma, Siedlung Debin (ca. 450 Einwohner) im Herbst 2004 -- Foto: Oxonhutch -- Lizenz: CC BY 2.5

Der Kolyma ist ein Strom im Nordosten Sibiriens - etwas kürzer als die Donau. Er fließt durch drei Teile der Oblast Magadan, weiter im Norden durch Jakutien (Sacha) und mündet schließlich in die Ostsibirische See. Mitte Oktober friert der Strom zu und taut erst Ende Mai wieder auf. Dann sind etwa 2.000 km schiffbar und dienen der Versorgung der Bevölkerung in dieser abgelegenen Region.

Bis zum Jahr 1987 gab es in der Region um den Kolyma Straf- und Kriegsgefangenlager des Gulag. Viele Kriegsgefangene des Zweiten Weltkriegs trafen dort nach Hunderte Kilometer langen Fußmärschen in der eisigen Kälte ein und verbrachten Jahre oder auch Jahrzehnte in den sibirischen Bergen, um Gold, Zinn oder Uran ans Tageslicht zu befördern. Die Lager in Kolyma galten als die schlimmsten in ganz Russland und die Lebenserwartung war hier besonders niedrig. 

Auch heute bezeichnen sich die Menschen der Oblast Magadan als Kolyma-Bewohner. Es ist eine historische Region in Russland und umfasst die Region Magadan und Teile Jakutiens. Und auch aus dieser Region sterben Männer im Krieg gegen die Ukraine, bis Ende März 25 hatten wir 166 Kriegstote erfasst. Wir stellen einige aktuelle Beispiele vor:

Tuwa Parlament 17.04.25

Drei Söhne eines getöteten Soldaten aus Tuwa

Am 17. April 25 wurden im Obersten Chural (Parlament) der Republik Tuwa wieder Mutorden an die Familien von getöteten Soldaten verliehen. Tuwa hat die höchsten Verlustraten ganz Russlands gemessen an der Bevölkerung und wird auch im Monat April diese Position weiter ausbauen.

Die buddhistisch geprägte Region ist arm, sie bietet der Bevölkerung nur wenige Perspektiven. Der Dienst in der regulären Armee und ganz besonders als Teil der freiwilligen Kämpfer verspricht den Familien ein hohes Einkommen.

Die Namen:

Sergej Wladimirowitsch Suworow

Wir haben zuletzt mehrfach über geistig behinderte Männer berichtet, die vom russischen Militär als Freiwillige unter Vertrag genommen, an die Front geschickt und dort getötet wurden (siehe Beispiel 1, Beispiel 2).  Sergej Wladimirowitsch Suworow ist solch ein weiterer Fall. Sergej wurde im Jahr 1989 geboren und kommt aus der Stadt Engels in der Oblast Saratow. Er hat acht Klassen einer Sonderschule für geistig Behinderte abgeschlossen und arbeitete als Lader.

Sergej hatte Glück - er wurde von der ukrainischen Armee unverletzt gefangen genommen. Ein Video von seinem Verhör durch die Militärpolizei haben wir mit deutschen Untertiteln versehen und dokumentieren es am Ende dieses Beitrags.

Denis Eduardowitsch TschuchlominAuch die Geschichte des 18-jährigen Denis Eduardowitsch Tschuchlomin haben wir viel zu häufig erzählt. Denis wurde am 3. Juni 2006 in der Stadt Serow in der Oblast Swerdlowsk geboren. Seine Eltern lebten getrennt, Denis zog mit seiner Mutter in die sibirische Großstadt Krasnojarsk.

Nach der Schule begann Denis keine Ausbildung, er hätte als Fahrer gearbeitet. Dafür schloss er drei Monate nach seinem 18. Geburtstag ganz heimlich einen Vertrag mit dem russischen Militär und zog ohne militärische Vorkenntnisse in den Krieg. Man kann mit Sicherheit annehmen, dass auch Denis das viele Geld zum Kriegsdienst lockte. Im März 2025 wurde er getötet.

Meist gibt es keine großen Debatten um den Tod von sehr jungen Soldaten im Krieg gegen die Ukraine, meist findet man viele betende Hände und floskelhafte Beileidsbekundigungen. Zum Tod von Denis gab es eine heftige Diskussion. Wir dokumentieren deshalb die gesamte Nachricht und die dazu gehörenden Kommentare:

Lorino 6 2013 08 04

Lorino - Bootslandeplatz und Straße zur Ortsmitte -- Foto: Ansgar Walk -- Lizenz: CC BY-SA 3.0

Lorino ist eines der größeren Dörfer ganz im Nordosten von Tschukotka. Das Dorf liegt an der Metschigmenskaja-Bucht der Beringsee und hat knapp 1.500 Einwohner, sowohl Eskimos als auch Tschuktschen (Wikipedia).  Aus diesem Dorf kam Ankas Aimetgirgin, geboren am 27. Juni 1995. Wir haben den jungen Mann unwissentlich bereits vorgestellt. Er war Tänzer des Ergyron-Ensemble, einem Tanz- und Gesangsensemble der Tschuktschen. Einen Auftritt für Kinder haben wir auf der Regionenseite von Tschukotka vorgestellt.

  • Ankas Aimetgirgin musste das Tanzen aufgeben, ging zurück nach Lorino und arbeitete als Seejäger. Auch ihn lockte das viele Geld in den Krieg, der nicht seiner ist. Am 26.02.2025 wurde er getötet.
  • Drei Wochen später gibt es schon den nächsten Toten aus dem Ort und aus dem Ensemble. Oleg Etton, geboren am 11.04.1993, wurde mobilisiert und wurde bereits am 25. März 2023 getötet.

Wir veröffentlichen die Nachrufe der Presseagentur von Tschukotka im übersetzten Orginaltext:

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